Verletzung des Informationsrechts der Zivilgesellschaft und der Presse in den Abschiebungshaftanstalten

Den 17ten April 2012

Im Rahmen der Kampagne « Open Access: Macht die Türen auf! Wir wollen wissen! » [1], die von mehreren Organisationen der Zivilgesellschaft getragen wird, haben die Netzwerke Migreurop, Europäische Alternativen und Reporter ohne Grenzen vom 26ten März bis zum 26ten April versucht, Abschiebungshaftanstalten zu betreten. Zahlreiche Journalist_innen, Organisationen und Zusammenschüsse von Bürger_innen haben Besichtigungsanträge bei den Behörden ihrer Region, ihrer Stadt eingereicht, um die Lage des Zugangsrechts der Zivilgesellschaft und der Medien in den Abschiebungshaftanstalten festzustellen.

Die ersten Rückmeldungen der Verwaltungsbehörde sind meistens negativ und diese werden mehr und mehr im Laufe der Zeit. Die Situation ist sehr beunruhigend:

In Frankreich, der Zugang zu den Abschiebungshaftanstalten (CRA) in Mesnil-Amelot, Palaiseau, Vincennes, Rennes, Toulouse-Cornebarrieu, in Strasbourg et in der Transitzone des Flughafens Roissy wurde der Journalist_innen systematisch verweigert, auch wenn diese einen Parlamentarier begleiteten (Abgeordnete und Senatoren haben einen freien und bedingungslosen Zugang). In andere CRA (Cergy zum Beispiel), wurden die Anträge einfach ignoriert und nicht beantwortet. In Belgien wurde der Antrag der Liga für Menschenrechte, die Abschiebungshaftanstalt in Brügge mit 5 Journalist_innen zu besichtigen, von den belgischen Behörden abgelehnt. In Italien, haben mehrere lokale Gruppen versucht, den Inhaftierungszentrum für Migranten (CIE) in Milano zu besichtigen aber ihrer Antrag wurde auch abgelehnt, genauso wie der von den Anwälten der in diesem CIE inhaftierten Migranten, die dafür angeklagt worden sind, den Aufstand im letzten Januar initiiert zu haben [2]. In Spanien, wird das Stillschweigen bewahrt. Es gibt überhaupt keine Antwort.

Wenn die Behörden keinen Zugang zu Mitgliedern der Zivilgesellschaft in den Abschiebungshaftanstalten ermöglichen, sie liefern auch meistens bei ihrer negativen Entscheidung überhaupt keine Begründung. Um den Zugang zu Journalist_innen zu verweigern, haben sich die Repräsentanten der Abschiebungshaftanstalt in Brügge auf dem Artikel 40 des Königserlasses vom 2ten August 2002 berufen, indem vorgeschrieben wird, dass « die Ortsbewohner der Neugier des Publikums nicht ausgesetzt werden können ». Nun aber, der zweite Absatz dieses Artikels bestimmt dass « sie den Fragen […] oder Filmen der Journalisten nicht unterliegen können, wenn sie damit nicht einverstanden sind ». Dementsprechend sollten die Journalist_innen die Möglichkeit haben mit den Betroffenen zu sprechen, wenn diese es billigen. Bei den CRA in Vincennes und Palaiseau wurden verschiedene Ausrede benutzt, sowie die « Wahlperiode » und « die Schweigepflicht », um die Zugangsanträge abzulehnen! Zuletzt wurde in den CIE Milano und Correli die « Aufstandsgefahr» als Begründung erwähnt. Die weiteren Anträge wurden ohne Begründung abgelehnt. Es wird nur genannt dass, « wir ihrem Antrag keine weitere Folge geben können ».

Unsichtbar, unerreichbar, undurchschaubar! Wie kann man die Hartnäckigkeit erklären, um diese Orte unsichtbar zu machen? Was wird uns versteckt? Im März 2012 setzte ein Abschiebehäftling des CRA Palaiseau sein Zimmer in Brand und versuchte sich das Leben zu nehmen [3]. Während die Spannungen und dramatische Ereignisse in diesen Orten sich häufen, werden die Zugangsmöglichkeiten immer niedriger. Diese Intransparenz begünstigt Ausartungen und Verletzungen der Rechte der Betroffenen und stellt eine klare Verletzung des wichtigen Informationsrechts dar.

Angesichts des europäischen Rechts, die Rechtsmäßigkeit dieser Ablehnungen ist sehr fraglich. Der Zugang zu Information ist ein unabdingbares Recht der europäischen Bürger_innen und wird von allen europäischen Institutionen verteidigt. Der Artikel 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erwähnt « die Meinungsfreiheit und die Freiheit […], Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. » Diese Prinzipien müssen endlich respektiert werden.

Die Abschiebungshaftanstalten werden durch Menschenrechtsverletzungen gekennzeichnet [4]. Wir fordern einen sofortigen Zugang zu diesen Haftzentren für die Zivilgesellschaft und die Presse auf, um die tatsächliche Haftbedingungen von Migranten bekannt zu machen. Wir haben das Recht zu wissen, was sich drinnen abspielt.

Kontakt Presse : openaccess@euroalter.com - laure.blondel@anafe.org
+33 (0)1 43 67 27 52

Unterzeichnende Organisationen :
Alternatives Européennes
Migreurop
Reporters Sans Frontières (RSF)

Unterzeichnende Journalisten :
Camille Polloni (Les Inrockuptibles),
Carine Fouteau (Mediapart),
Isabelle Romero (Radio France Internationale - Accents d’Europe),
Marie Barbier (L’Humanité),
Anja VOGEL (Radio France),
Clarisse Lucas (journaliste),
François Lepage (photographe indépendant),
Claire Pêcheux (blog Amnesty Belgique)