Für die Schließung der Migrantenlager. In Europa und darüber hinaus.

In den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und in den angrenzenden Ländern (Libyen, Marokko, Turkei, Ukraine), oder sogar in weiter weg liegenden Staaten (Mauritanien, Libanon), sind die im 20.
Jahrhundert immer zahlreicher werdenden Orte zur Inhaftierung von Ausländern Schauplätze der Verschleierung von Absichten, die nach internationalen Vereinbarungen, denen sich einige derselben Staaten verpflichtet haben, rechtswidrig sind (Konvention der Vereinten Nationen bezüglich des Flüchtlingsstatus, Internationale Konvention zu den Rechten des Kindes etc). In Zypern, in Griechenland, in Italien oder auf Malta, werden die Ausländer automatisch in Haft genommen, egal in welcher humanitären oder juristischen Lage sie sich befinden. Dazu zählen auch diejenigen, die nach langer Seefahrt gerettet oder auf See abgefangen wurden.

Ganz gleich welchen Namen man diesen Lagern gibt [1], die Migrantenlager sind ein bevorzugtes Instrument zur Verwaltung migrantischer Bevölkerung. Die Menschen werden verhaftet ohne Verurteilung oder Rechtsspruch und unter Gefängnisbedingungen, was manchmal sogar bis hin zur Quarantäne in Zellen geht. Und dies aus dem einzigen Beweggrund heraus, dass sie sich nicht an die Regeln zur Überquerung von Grenzen und zum Aufenthalt in einem anderen Land gehalten haben, obwohl diese Regeln rechstwidrig nach internationalem Recht sein können, zum Beispiel was die geltenden Bestimmungen zum Flüchtlingsschutz betrifft. An manchen Orten sind Misshandlungen, physische oder psychische Gewalt an der Tagesordnung. Die häufigen Zwischenfälle (Aufstände, Hungerstreiks, Brandstiftung), manchmal hochdramatisch (Selbstmord, Tod), unterstreichen, wie ungeeignet dieses Haftsystem für die anvisierte Bevölkerungsgruppe ist.

Die Entstehung von Camps geht einher mit einer Verlängerung der Haftdauer [2], die oftmals über die benötigte Zeit für das in die Wege leiten einer Ausweisung hinaus geht. Hinter den offiziell erklärten Zielen (die Rationalisierung des Umgangs mit Migration) unterstützt die Institutionalisierung der Inhaftierung von Migranten in Wirklichkeit eine Abschreckungspolitik und kriminalisiert diejenigen, die man als „unerwünscht“ erklärt hat. Diese Politik, die im Widerspruch zu demokratischen Prinzipien steht, hat einen horrenden Preis: nicht nur in menschlicher Hinsicht, sondern auch auch deshalb, weil die Mittel für Verwaltung und Polizei, welche in diesem Zusammenhang mobilisiert werden, sich sicherlich auf einen Umfang mehrerer Milliarden Euros belaufen, allein für die Länder der Europäischen Union [3].

Seit 2002 hat es sich Migreurop zur Aufgabe gemacht, die Auswirkungen der Migrationspolitik der Europäischen Union zu dokumentieren und anzuprangern – und innerhalb dieses weiten Politikfeldes an erster Stelle die Inhaftierung von Migranten [4]. Seit 2004 verbreiten seine Mitglieder ihren Appell „Gegen die Kreation von Camps an den Grenzen Europas“ [5]
In der Zwischenzeit gibt es immer mehr Berichte zum Thema, die sei es von Institutionen der UNO, des CPT (Europäisches Komitée zur Prävention von Folter), vom Kommissar für Menschenrechte im Europäischen Rat, von Parlamentsmissionen oder von Internationalen Organisationen oder NGOs herausgebracht und verfasst werden.

Alle Untersuchungen und Feldbeobachtungen kommen zu dem Schluss, dass die behördliche Internierung der Ausländer ganz grundsätzlich eine Verletzung der Grundrechte darstellt. An erster Stelle sei hier die Reisefreiheit zu nennen, aber auch das Recht auf Asyl, das Recht auf den Respekt der Privatsphäre, das Recht, keine unmenschlichen oder entwürdigende Behandlungen ertragen zu müssen, oder sogar spezielle Rechte für besonders gefährdete Personen - wie vor allem Kinder. Eine vom europäischen Parlament beauftragte Studie im Jahr 2007 zeigt, dass „das Einsperren in geschlossenen Zentren zu einer Verschlimmerung psychologischer Störungen und Schwierigkeiten bei den inhaftierten Ausländern führt oder zu deren Entstehung beiträgt, (Störungen) die sich als dramatisch erweisen können wenn es sich um minderjährige Kinder handelt“ [6]

Häufig erfolgt die Inhaftierung außerdem ohne wirkliche juristische Kontrolle, obwohl die individuelle Freiheit auf dem Spiel steht.

Das massive Einsperren von Migranten, so wie es sich im Rahmen der europäischen Asyl- und Einwanderungspolitik entabliert, erweist sich als unnütz in der Verfolgung des Ziels einer „Kontrolle von Migrationsströmen“, die diesem scheinbar zu Grunde liegt. Diese Praxis ist ungeeignet für das Eindämmen des Problems der sogenannten „irregulären“ Einwanderung“. Diese letztere aus der sicherheitstechnischen Perspektive zu betrachten, ist zudem völlig sinnlos. Indem es dazu beiträgt, den Migranten als Schuldigen zu stigmatisieren und es die Idee beflügelt, es sei eine Strafttat, von seinem Recht auf Reisefreiheit Gebrauch zu machen, ist das Einsperren von Migranten Ursache für die häufige Verletzung der Menschenrechte – und es nährt Rassimus und Fremdenfeindlichkeit.

Migreurop fordert von den Regierungen der Mitgliedsstaaten der EU und der angrenzenden Länder damit aufzuhören, die Inhaftierung als Mittel zur Kontrolle von Migrationsbewegungen zu verwenden und ruft die Öffentlichkeit dazu auf, jegliche Logiken der Inhaftierung von Ausländern abzulehnen.

April 2010

Zusammenfassung der Probleme, die bei Besuchen der Lager beobachtet wurden:

Manche Probleme tauchen wiederholt in den Beschreibungen der Organisationen oder Instanzen auf, welche die Gelegenheit bekommen, Flüchtlingslager zu besuchen.
Das Resumée der Berichterstatterin im Januar 2008 der Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen zur willkürlichen Inhaftierung fasst auf der Grundlage von Berichten über die in den vorherigen Monaten abgeleisteten Besuche treffend die Probleme und Menschenrechtsverletzungen zusammen, die diese Lager nach sich ziehen.

– Fehlen eines juristischen Rahmens, sei es für die Verfahren für eine Einwanderung oder für den Antrag auf Asyl selbst, sei es für die Inhaftierung wenn diese existiert
– die Tatsache dass die Inhaftierung außerhalb jeglichen strafrechtlichen Rahmens vollzogen wird, zur Identitätskontrolle oder sogar nur zur Abschreckung
– die exzessive Dauer der Inhaftierung, oder sogar keinerlei Maximaldauer
– die Inhaftierung – in gewissen Ländern – von Asylbewerbern, Minderjährigen, kranken Personen und Behinderten
– die harten und erbärmlichen Bedingungen, denen die Ausländer manchmal ausgesetzt sind

Zu den Problemen, die in dieser Zusammenfassung zusammengetragen wurden, kann man zudem das wiederholte Auftreten spezifischer Pathologien hinzufügen, insbesondere psychiatrische Krankheiten, meistens für die Situation der Migranten in Haft charakteristische Störungen, egal aus welchem Herkunftsland oder unabhängig von deren materiellen Bedingungen.